Wiedervermählung Leopold Wölflings

Aus Zürich kommt die überraschende Meldung, daß Leopold Wölfling, der ehemalige Erzherzog von Toskana, sich entschlossen habe, eine zweite Ehe ein
zugehen.

Vor wenigen Wochen wurde in der Öffentlichkeit bekannt, daß Herr Wölfling seine eheliche Verbindung mit Wilhelmine Adamovich, die ihm nicht das ersehnte Liebesglück gebracht zu haben scheint, endgültig gelöst habe. Verschiedene Gründe wurden für diese Ehetrennung geltend gemacht. Die Anwälte Wölflings und dieser selbst erklärten vor den Schweizer Gerichten, daß Frau Adamovich-Wölfling sich einer Kolonie von “Naturmenschen” angeschlossen, daß sie die vegetarianische Lebensweise in ihren äußersten Konsequenzen angenommen hätte und auch ihren Gemahl veranlassen wollte, ihrem Beispiele zu folgen. Häuslicher Unfriede, der aus diesen Neigungen der Frau Adamovich-Wölfling entsprang, habe in dem ehemaligen Erzherzog den Entschluß reifen lassen, sich von den Ehefesseln zu befreien. Die schweizerischen Gerichte haben die Trennung der Ehe ausgesprochen, und Frau Adamovich wandte sich nach Wien, wo sie in stiller Zurückgezogenheit bei ihrer Schwester lebt.

Nun wird bekannt, daß für die Entschlüsse Wölflings der Wunsch nach einer neuen Verbindung mitbestimmend gewesen sein dürfte. Zur selben Zeit, da Leopold Wölflings Schwester, Gräfin Luise Montignoso, die ehemalige Kronprinzessin von Sachsen, eine neue eheliche Verbindung eingeht, beinahe am nämlichen Tag, tritt auch ihr Bruder, der ehemalige Erzherzog Leopold von Toskana, vor den Traualtar. Es ist von einem gewissen pikanten Interesse, daß Leopold Wölfling den Schritt seiner Schwester verdammt, ihn einen “voreiligen Verzweiflungsschritt” nennt, “in dem er nichts Gutes erblicke.”

Diese Erkenntnis scheint Leopold Wölfling nicht gehindert zu haben, seinerseits einen Entschluß auszuführen, der kaum geeignet sein dürfte, die Beziehungen des ehemaligen Erzherzogs zu seinem katholisch strenggläubigen Vaterhaus zu verbessern. Die zweite Gattin Leopold Wölflings heißt
Maria Magdalena Ritter. Sie ist eine Schlesierin und steht im 30. Lebensjahre. Sie ist demnach um neun Jahre jünger als ihr künfttger, am 2. Dezember 1868 als ältester Sohn des Großherzogs Ferdinand von Toskana geborener Gemahl. Auch die zweite Gattin Wölflings entstammt der bürgerlichen Sphäre. Sie ist die Tochter eines Rentiers, der in Plottnitz in Schlesien lebt.

Genau sieben Tage nach dem Scheidungsurteil, das seine erste Ehe trennte, stand Herr Wölfling mit Fräulein Ritter vor einem Schweizer Zivilstandesbeamten und leitete die ersten Schritte zu einer zweiten Ehe ein. Der Mann hat es sehr eilig.

Düna Zeitung (Riga), 20. September 1907, Nr. 219, S. 4. Online