Aus Lugano kommt die Kunde, daß die Naturmenschen-Kolonie vom “Berge der Wahrheit” eingehen solle. Der Besitzer des Sanatoriums “Monte Vérita” macht bekannt, daß die Kolonie nicht mehr weiter geführt werden könne, weil die Menschen heute zu verdorben seien, “um zur Urnatur zurückgeführt zu werden”. Ein Bericht-erstatter der “N. Z. Z.” bemerkt dazu: Man hat diesem phantastischen Unternehmen diesen Ausgang voraussagen können; die Welt ist — Gott sei Dank — noch nicht “reif” genug, um die Ideen dieser Naturmenschen zu verdauen. Die Kolonie am “Monte Vérita” bei Ascona ist vor einigen Jahren von Deutschen gegründet worden; sie hatte ursprünglich einen Stich in Kommunistische und hatte sich die schöne Parole “Zur Natur zurück” an ihre Bretterwände geschrieben. Ein paar gebildete, geistig hochstehende, physisch nicht ganz normale Leute haben sich ein paar der halbzerfallenen Steinhütten angekauft, die im Tessin so häufig und so billig sind; die Hütten wurden recht und schlecht mit Brettern geflickt; da drin lebte man nun bei Pflanzenkost und Sonnenbädern ein drolliges Dasein. Die erste Gemahlin des Leopold Wölfling, Exerzherzog, hatte sich bekanntlich auch zu dieser Gesellschaft verirrt.

Briger Anzeiger, 11. Jahrg., 4. September 1909, S. 3. Online